weggelesen

Durch Flügeltüren
führte er
sie in ein Zimmer
voller Bücher:

Gebundene Bücher,
Taschenbücher,
kleine Bücher
und Atlanten.
Regale über Regale
und alle waren gefüllt,
einige sogar doppelreihig:

Weltliteratur und
Schmonzette,
leichte Romane und
Gedichte,
Jugendbücher
und schwere Philosophie,
Analysen,
Sachbücher und
Bilderbücher:

Gedruckte Buchstaben
soweit das Auge reicht.

„Lies“, sagte er.

Und sie frühstückte
Wörter, Worte und Sätze,
ließ ihre Augen tanzen
zu Farbbildern und Kupferstich,
versenkte sich in Silben,
Morphemen und Reimen.

Was blieb?
Ein Gedankenpotpourrie
fremder Gedanken,
eine Sammlung
neuer Satzbauten,
ein voller Kopf
in leerem Raum.

ersehnen

Schreib irgendetwas! Bitte!
Denn ich muss Dich lesen.
Ich brauche!
Denn Du fehlst.
Deine Worte fehlen.
Ich kann sie mit nichts kompensieren.
Weil es Deine sind vielleicht.
Vielleicht aber auch,
weil sie sich immer so harmonisch
in meine tiefsten Lücken schmiegen.
Du machst meine Kanten weich
und meine Stille rau.
Und Du sprichst aus,
was ich nicht denken kann,
und ich kann endlich fühlen
was in mir ist.

Lesekunst

Lesen.
Sich verstanden fühlen durch Worte anderer.
Keine allgemeinen Ratschläge zur Lebensführung,
einfach Worte lesen und sich ansprechen lassen.
Ganz persönlich, ohne direkt angesprochen zu werden.

Und das ist ja auch eigentlich das
was wir suchen und brauchen:
Eigene Antworten auf eigene Fragen.
Keine Rezepte oder Punktepläne,
die uns vorschreiben
wie wir leben sollen zu unserem Glück.
Glück ist nicht universell.
Was wir wollen und brauchen, liegt in uns. Nicht daneben.