Gefahr der Lügen

Bevor die totalitären Bewegungen die Macht haben, die Welt wirklich auf das Prokrustesbett* ihrer Doktrinen zu schnallen, beschwören sie eine konsequente Lügenwelt herauf, die den Bedürfnissen des menschlichen Gemüts besser entspricht als die Wirklichkeit selbst.

aus: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Hannah Arendt

 

*starres Schema oder Zwangslage, in das etwas/jemand gewaltsam hineingezwängt wird/werden soll

Tag der Tränen

Tag der Tränen. Ich bin darin versunken.
Unser Leben geht weiter.
Und Du bist nicht mehr dabei.
Ich weiß, es gibt kein „zu früh“ –
es fühlt sich höchstens danach an.
Ich mag nicht bestimmen wollen,
wann etwas zeitlich passend sein soll.
Das Leben geht weiter.
Du bist nicht mehr dabei.
Keine neuen Erinnerungen mehr.
Ich wachse, werde alt und älter,
hoffentlich weiser, hoffentlich sinnvoller.
Und Du, du bleibst, bleibst einfach stehen,
liegen. Bleibst einfach und wirst ein Bild.
Ich bin so tief, tief, tief berührt.
Salzig, nicht bitter. Tränenmeer, nicht Flut.
Unbegreifliches.
Ich kann nicht ganz aufhören zu weinen. Immer wieder Tränen.

L’inverno è passato

Der Winter ist vergangen, obwohl er noch nicht richtig angefangen hatte. Zumindest nicht bei uns. Jetzt springen rotbraune Eichhörnchen zwischen Balkon und Geäst hin und her und Amseln picken aus den verwaisten Balkonkästen, was die Eichhörnchen wohl vor ein paar Monaten vergraben haben mögen. Milchige Herbstsonne dringt durch den sanften, weißen Wolkenschleier. Die Schatten der kahlen Bäume auf der grünen Wiese sind lang. Der Winter ist vergangen, der Frühling noch nicht da. Aber erahnen kann man ihn. Wie singen die Vögel so schön!

Hallo Wittgenstein.

Hallo Denker. Ich habe so viele Sätze aus Deinem Tractatus logico-philosophicus für so durchdacht und wunderbar gehalten. Besondern den einen, Du erinnerst Dich? „Die Grenzen meiner Sprache sind nicht die Grenzen meiner Welt.“ Ja, dachte ich mir, Ja! Genau! Deshalb ist Sprache so wichtig, so sehr mein Element! Weil meine Welt ohne sie einfach zu klein wäre! Dachte ich mir. Und darum interessierte ich mich für Sprachen – für meine und die alten Sprachen, die man nicht mehr spricht, für Sprachstrukturen, für die Grenzen der Sprache. Und ich spazierte lange an den Grenzen… Und während ich sie im Ausdruck nicht überwinden konnte, gelang es meinem Denken schließlich doch: Ich kann weiter denken als bis zu den Grenzen meiner Sprachen! Während meine Sprache mir Grenzen setzt, die Grammatik mir ein Korsett gebaut hat und alle Umschreibungen ein bisschen absurd und komplex klingen und ich nicht mehr in der Lage bin, klar zu formulieren, was ich meine, hüpfen meine Gedanken über meine Worte und mein Kopf weiß mehr als mein Mund.

Gedankenreigen

… und ich gefalle mir eigentlich besser,
wenn ich cool bin und herausfordernd,
wenn ich verspielt bin und reize
wenn ich gebe und hingebe,
verschwenderich bin
und alle Situationen in der Hand halte
und wenn ich dir
ein bisschen den Kopf verdrehe,
weil ich es halt kann …
… ich bin ganz anders in allen anderen Lebenslagen,
kann nicht so überlegen sein,
wenn ich nicht flirte
und kann nicht so selbstbewusst wandeln,
wenn ich nicht spiele ….
… und ich gefalle mir eigentlich besser,
wenn ich cool bin und herausfordernd …

wie ein Regenschirm

Darf man heutzutage noch sagen,
dass man sich immer einen Beschützer gewünscht habe?
Einen Mann wie einen Regenschirm,
dessen Schutz sich dezent und farbenfroh über einen zieht
und den Blick freilässt auf alle Wege.
Darf das heutzutage noch eine Sehnsucht sein?
Heute, in der jeder lieber sich selbst sein eigener Schirm zu sein gedenkt?

eine kleine Reise

Amsterdam ist eine Stadt der Glockenspiele,
keine Stadt gemütlicher Cafés.
Amsterdam ist eine Stadt der Gassen,
keine Stadt geheimnisvoller Winkel,
Amsterdam ist laut und doch
eine Stadt der stillen Hinterhöfe.
Amsterdam ist voller Touristen
und trotzdem authentisch und freundlich.
Amsterdam ist chaotisch und architektonisch schön
und bestimmt noch lange nachhaltig inspirierend.

Generationenwandel

Es wäre für mich einfacher,
wenn Du Dich nicht verändert hättest,
wenn Du konstant geblieben wärst
in Deinen Meinungen,
die ich früher nicht verstehen konnte,
die nun aber mehr und mehr
zu meinen werden
und über die Du, argumentationsmüde,
nicht mehr reden magst.
Nun muss ich verstehen lernen,
dass Entwicklung nicht aufhört.

Winter

Winter. Und überall Schnee. Alles weiß. Dass du da bist! sagst du. Oh ja! Wir spazieren viel. Durch Straßen, durch Parks. Beim Essen erzählst du mir von August dem Starken. Später suchen wir das Nachtleben. In einer Bar fühle ich mich schön. Ich bin ein bisschen verliebt und du bist der schönste Mann hier. Lass mal nochwas trinken. Für das Begehren und dagegen. Gegen jede Objektivität und dafür. Alles dunkel. Dass du da bist! Oh ja!

Sommererinnerung

Ich habe Post für Dich:
Zwischen die Zeilen habe ich Meeresrauschen geflochten
und in die Buchstaben habe ich Blumenduft gemischt.
Eingefangene Sonnenstrahlen habe ich in die Wortzwischenräume getupft
– ich hoffe, die wärmen noch ein wenig nach!
Lange her ist der Sommer,
fast vergessen der Frühling.
Kalt ists und dunkel
und blau.
Sehen wir uns wieder, wenn die Schwalben zurückkehren?

nach der Pubertät

Geprägt von Bildern vom eigenen Sein,
geformt  und gezeichnet von anderen,
die meinen, einen zu kennen.

Abschütteln fremder Bilder,
entfalten aus falschen Formen,
wer bin ich?

Abschütteln der Menschen,
die man liebt,
wenn sie zu sehr verklebt sind
mit den falschen Bildern von uns,
in denen sie uns sehen wollten.

Der Ästhet

Der Mensch, der es dabei bewenden lässt, eine Fülle von Möglichkeiten zu haben, ohne von ihnen wahrhaft Gebrauch zu machen. Er verhält sich bloß anschauend und genießend, nicht aber tätig und darum auch nicht verantwortlich. Er erschöpft sich im unverbindlichen Experimentieren mit den Möglichkeiten, in der Jagd nach dem Interessanten und Zerstreuenden.

Doch wer in dieser Weise bloß ästhetisch lebt, der verfällt der Daseinsleere und bleibt im wesentlichen Sinne unwirklich.

Søren Kierkegaard  „Die Lehre von den Existenzmöglichkeiten auf dem Lebensweg, Ästhetisches Stadium“

Ich fühle mich ertappt ….

kaufen

Du kannst mir Geschenke machen,
aber Du kannst meine Freundschaft nicht kaufen.
Denn ich bin blind
und kann nicht erkennen,
wann Schenken nicht Teilen, sondern kaufen ist.
Denn ich selbst schenke gerne,
so völlig aus freien Stücken
und erwarte dabei höchstens Deine Freude.
Du brauchst also nicht in mich zu investieren,
denn meine Freundschaft
ist unbezahlbar. Und kostenlos.

Vanitas, Kunst im Raum

Blogger schreiben gemeinsam
und weil ich gerade vorbeigesurft bin und heute auch noch nichts gebloggt habe, mach ich spontan auch mal mit. Pflichtwörter sind kursiv gekennzeichnet.

Nie würde ich einen Beitrag über Erdbeergelee schreiben. Viel zu viele Eeeeees.
Und außerdem zu glibberig. Allein im Klang. Nein, danke.
Und auch über Veilchen mag ich nicht schreiben. Farbtupferblümchen im Nichts,
ich weiß ja nicht.
Vielleicht lassen sich kleine Cremetörtchen mit Erdbeergelee füllen und mit Veilchen dekorieren. Das sieht bestimmt sehr hübsch aus. Aber ein abendfüllendes Thema ist es nicht gerade.

Da eigent sich der Gurkenhobel besser, um imaginäre Kunst aus ihm zu machen.
Sicher wäre er ein guter Austellungskadaver
Kadaver? Urgs. Vanitas, Vanitas. Kunst der Vergänglichkeit in einer surrealen Raumzeit. Schön. Das hebt mir doch die Musenlaune. Und es ist wenigstens nicht ganz so trivial wie süßes Gebäck und Grabgewächs.

Um den Gurkenhobel noch besser zu inszenieren, sollen sich Furien abstrahiert über meinen Gurkenhobelkadaver erheben und seine leblose Vergänglichkeit für den Betrachter um eine Nuance mehr egalisieren.

Sind es nicht passende literarisch-mystische Gestalten zur  vanitatischen Kunst der Vergänglichkeit? In Goethes Iphigenie auf Tauris und auch im Faust, ja sogar in Frisches Homo Faber und überraschenderweise auch in Döblins Berlin Alexanderplatz finden wir Furien zwischen den Seiten. Als viellesende Literaturschleuder, die ich bin, erwähne ich auch gerne nebenbei, dass Furien auch Erinnyen genannt werden. Sie sind die Schwestern der Nymphen, die Töchter der Nacht, die Wesen aus Tod und Rache.

Eine Komposition aus Alltag und Mystik, aus Gegenstand und Literatur, aus Installation und Bild. Lange angekündigt und endlich zu sehen! So schreiten sie schließlich wein- und champagnerschlürfend vorüber, die Kunstliebhaber in Abendgewändern. Bei Cello- und Geigenmusik unterhalten sie sich andächtig über den innovativen und völlig neuen Ansatz, den ich ihnen präsentierte und über die Vergänglichkeit von Kunst im Raum. Und sie kritisieren Vanitas, Vanitas die Kunstform ebenso wie die Kunst. Das gehört dazu.
Vielleicht erkennen sie die Ironie im leblosen Gurkenhobel, der die Vanitas-Kunst hier ad absurdum führt. Aber wahrscheinlich verkennen sie sie und werden kritische und ehrfürchtige Worte der Schönheit und Einzigartigkeit über diese Kunst verlieren.

beinahe untrennbar

Wir sind mit einem ganz starken Kleber zusammengeklebt,
darum tut es auch so weh,
wenn wir so aneinander reißen.
Natürlich könnten wir
noch ein bisschen stärker reißen,
der Kleber würde irgendwann nicht mehr halten,
aber schmerzlos ginge es nicht.
Und verlustfrei auch nicht.
Und im Grunde wollen wir das doch auch gar nicht.
Wir sind sehr gut geklebt, fast gerade,
beinahe ein Kunstwerk.

//03/15//

aufwachend

Ich bin
durch das lange Gefühl
der Sinnlosigkeit
gegangen.
Ich habe
mich stumpf gefühlt
und sinnfrei
und leer.
Wie alle.
Obwohl ich bewusst
berufen war
zum Leben.

Ich fühle
mich noch immer
unsicher
und zu unwissend
und zu nichtssagend
und winzig klein.
Aber ich bin

kein Schattenwesen mehr.
Meine Farben
wandeln sich täglich
von verborgenem Grau
in Pastell.

Ein Schleier
aus Ängstlichkeit
umgibt mich
noch.
Wenn er zerreißt,
werde ich bunt
und bunter,
sichtbar
und sichtbarer.

Darum halte ich ihn noch so fest.
Denn ebenso sehr wie ich mich darüber freue,
so bunt zu sein und erfüllt und lebend,
so sehr fürchte ich mich doch davor,
voll da zu sein,
Position beziehen zu müssen
– und davor,
ausgegrenzt zu werden
aus allem altbekannten Grauen.

Was sind Pläne ohne Taten?

Das Tun fällt mir schwer.
Ich bin mehr Theoretiker.
Und Pläneschmieder.
Und eingebildeter Durchblicker.
Und Studierer.
Und Kluge-Worte-Finder.
Aber ein Macher,
nein, der bin ich nicht.

Vielleicht ist es Besonnenheit
statt blindem Aktionismus.
Vielleicht aber verschwende ich
auch alle meine Potenziale,
als hätte ich sie vergraben.
Und bin wie tot,
obwohl ich lebe.

eine Angst

Ich habe Angst vor Menschen.
Komisch, denn ich habe Freunde unter ihnen.
Und Geschwister.
Und Eltern.
Und Kinder.
Und ich bin souverän in Begegnungen.
Meistens tut es mir gut unter Menschen zu sein,
weil die meisten mir nichts Böses wollen,
im Gegenteil.
Ich kann sie oft schnell und gut einschätzen.
Ich wirke freundlich auf sie.
Und manche behaupten sogar,
man könne gut mit mir zusammenarbeiten.
Ich bin nicht introvertiert und auch nicht scheu,
bin sogar schlagfertig und doch empathisch.
Es gibt keinen wirklich rationalen Grund,
aus dem ich Angst vor Menschen hab.
Aber ich hab sie schon immer.
Ich habe immer Stress vor Begegnungen.
Ich glaube nicht,
dass sich das jemals ändern wird,
weil alle positiven Erfahrungen
darauf keine Wirkung haben.
Ich muss mich immer, immer, immer
wieder überwinden.
Und es gibt Tage,
da gelingt mir das nicht.

freudig!

Wir werden schon eine Insel finden,
wo man uns freudig erwartet.

Jules Verne, Die geheimnisvolle Insel

____
Eine ganz schön hohe Erwartung für einen Menschen in Not: Nicht nur eine Insel, die einen überleben lässt, nein, auch noch eine freundliche Insel, die nur darauf gewartet zu haben scheint, Menschen in Not aufzunehmen.
Ist es zu viel verlangt?
Ich wünsche mir: Nicht.

das Armband

Um ihr Handgelenk trägt sie ein schmales Armband.
Arabische Schriftzeichen zieren es kunstvoll in schönen Farben.
Sie bedeuten „Mama“ , „Papa“ und den Namen des kleinen Bruders.
„Sind sie auch hier?“ fragst Du sie.
Sie schüttelt den Kopf.
Und alle Blicke fallen betroffen auf ihr schönes Armband.

nachhallend

Vielleicht war es eine betrunkene Nacht,
in der Erinnerungen erwachten
an alte Zeiten,
die als die besseren in die Gegenwart schienen.
Und im Rückblick sehnte man sich danach,
sie erneut zum Leben zu erwecken.

Erwartet. Sehnt.
Und weiß doch sicher,
dass alte Zeiten Vergangenheiten sind,
die nachhallen,
jedoch nicht wieder
zum Leben erwachen
werden.

Lampenfieber

Nicht genau wissen, was einen erwartet,
nicht vollständig planen können.
Ahnen, dass man nicht allen
Eventualitäten gewachsen sein kann.
Unkontrollierbar ist das Leben
immer wieder.
Dies zu spüren ist Leben.
Sprühende, übersprudelnde Gefühle
durchdringen Ungewissheit
und erinnern an das Vertrauen
in eigene Vorbereitung.
Das muss reichen.
Und es reicht
für ein Fallenlassen in die Umstände.

ein neues Zeitalter

Unser Zeitalter ist ein Zeitalter der Bequemlichkeit.
Beinahe alles im Alltag lässt sich mit wenig Energieaufwand bewerkstelligen.
Zumindest mit wesentlich weniger Energieaufwand als jemals zuvor.
Unsere Wege sind nicht mehr weit, um weit zu kommen.
Sind die Grundbedürfnisse garantiert,
müsste Zeit übrig bleiben,
Zeit für Selbstverwirklichung,
Zeit zur Selbstfindung,
Zeit für philosophische Fragen,
Fragen nach Sinn und Zweck.
Aber es ist kein Zeitalter der Philosophie,
kein Zeitalter der großen Fragen.
Wir haben nicht einmal das Gefühl, dass wir dafür Zeit übrig hätten.
Vielleicht, weil Fragen dieser Art sich nicht mit wenig Energieaufwand beantworten lassen.
Schon gar nicht schnell nebenbei.
Woran das liegt?
Vielleicht daran, dass sie nicht in unser Schema der Bequemlichkeit passen…

Weitsicht

Stell dir vor,
alles, was du gibst,
käme zu dir zurück,
alles, was du tust,
täte man dir,
alles, was du anderen wünschst,
erfülle sich auch an dir.

Wie groß wäre deine Bereitschaft
zu geben, zu tun und zu wünschen?
Und nehmen wir an,
du hast schon vorher bekommen,
was du nun geben kannst,
man habe dir schon vorher Gutes getan,
von dem du nun weitergeben kannst,
nehmen wir es einfach mal an.
Kannst Du dann teilen?

Frau

Ach, geh doch weg,
ich mag mich mit Deinen gender-fembasierten Meinungen
gar nicht auseinandersetzen,
weil Du
anderen vorwirfst,
in engen Kategorien zu denken,
es aber selber tust,
Deine Kategorien nur anders benennst.
Nein,
ich mag das nicht hören,
nicht lesen,
nicht kommentieren,
nicht diskutieren.
Ich möchte bitte einfach Mensch sein
und mich in keine Opferrolle quälen,
um micht politisch-korrekt fühlen zu dürfen.
Danke, nein.

weggelesen

Durch Flügeltüren
führte er
sie in ein Zimmer
voller Bücher:

Gebundene Bücher,
Taschenbücher,
kleine Bücher
und Atlanten.
Regale über Regale
und alle waren gefüllt,
einige sogar doppelreihig:

Weltliteratur und
Schmonzette,
leichte Romane und
Gedichte,
Jugendbücher
und schwere Philosophie,
Analysen,
Sachbücher und
Bilderbücher:

Gedruckte Buchstaben
soweit das Auge reicht.

„Lies“, sagte er.

Und sie frühstückte
Wörter, Worte und Sätze,
ließ ihre Augen tanzen
zu Farbbildern und Kupferstich,
versenkte sich in Silben,
Morphemen und Reimen.

Was blieb?
Ein Gedankenpotpourrie
fremder Gedanken,
eine Sammlung
neuer Satzbauten,
ein voller Kopf
in leerem Raum.

Belehrungen

Was ich echt überhaupt nicht leiden kann,
ist
belehrt zu werden,
so ein bisschen von oben herab
dem angeblichen Erfahrungsschatz
eines anderen zu lauschen,
der nicht nur für sich selbst
seine Schlüsse zieht,
sondern
für mich gleich mit.

Danke,
ich kann selber denken
und selber
Schlüsse ziehen
und selber
aus Erfahrung lernen.
Auch aus den Erfahrungen anderer.
Aber selbst.

Fragen, die mir gefielen

1. Worauf könntest du nicht verzichten: Musik, Bücher oder Bilder?

Ich glaube, ich könnte auf alles verzichten. Ich habe Bücher, Bilder und Musik im Kopf. Input kommt durch Menschen und ihre Bücher, Bilder und Musik in ihren Köpfen. Letztlich kann ich wohl leider bloß auf (Mit-)Menschen nicht verzichten, obwohl sie mich am allermeisten herausfordern und ich mit ihnen am allerwenigsten abschalten kann.

2. Stell dir vor, du könntest irgendwelche Fähigkeiten von irgendwelchen Tieren/Pflanzen/Pilzen/Einzellern annehmen. Welche würdest du wählen?

Dann würde ich gerne fliegen können. Schweben. Und Verschwinden. Aber es ist gut, dass ich es nicht kann. Ich wäre nicht mehr da.

3. Achtung, jetzt wirds philosophisch: Freier Wille ja oder nein? Warum?

Freier Wille ist die Grundlage für das Menschsein. Meiner Ansicht nach ist er ein Aspekt der Definiton „Mensch“.

4. Wenn dein Leben ein Film wäre, wie würde er heissen?

„Zwischen Farben und Wörter gefallen“

5. Beschreibe deinen Blog mit drei Worten.

Gefühle, Kritzeln, Beobachtungen

6. Regen, Sonne, Gewitter oder Schnee?

Sonne und Gewitter.
Wärme und Entladung find ich beides total wichtig, sowohl metaphorisch als auch meteorologisch.

7. Dein erster Blogartikel, würdest du sagen dass er noch aktuell ist? (ja/nein, wieso ?)

Meinen ersten Blogeintrag mag ich noch immer. Ich spüre den Flow noch in ihm und ich find die Gedanken in ihm noch immer irgendwie weise.

8. Wie stellst du dir ein richtig gutes Wochenende vor?

Mein richtig gutes Wochenende wäre wie dieser Sonntag.

9. Geld oder Liebe?

Liebe

kleine Europabetrachtung

Ist es nicht irgendwie erstaunlich, dass
die Wiege unseres europäischen Kulturkreises,
die dem Land Europa mythologisch sogar seinen Namen gab,
(als erstes?) vor dem Aus* steht?
Ist es vielleicht vielmehr bezeichnend?
Griechenland ist das Land, in dem die erste Demokratie erprobt wurde,
das Land, dessen Sprache nicht nur die unsere prägte,
sondern noch dazu auch unser Denken in seinen Ansätzen und Strukturen.
Griechenland, im Grunde die Basis Europas. Das Mutterland.
Historisch betrachtet:
Sehr interessante Entwicklungen.

 

*wie auch immer das aussieht…

——-
Ich spinne nur herum,
weil ich Gedankenspiele
und Parallelen mag,
wenn sie sich
so schön ergeben.

noch immer

Meine Preise stimmen einfach nicht.
Realitätsfern bin ich.
Und habe doch Skrupel,
sie realistisch zu machen,
weil …
… ich das einfach alles so gerne machen will!!
(Vollkommen unabhängig von den finanziellen
Möglichkeiten eines Auftraggebers.)
Und weil …
… ich vielleicht selber nicht bereit wäre,
meine realistischen Preise zu zahlen.
Das ist ein Problem,
wenn man künstlerisch, freischaffend und weltfremd
in einer Wirtschaftswelt lebt.

Teamplayer

Ich kann schlecht abgeben,
merke gerade,
wie ich alles wieder an mich reiße
und alles alleine machen will.

Ich arbeite gerade an einem gemeinsamen Projekt.
Ich habe in unseren Koordinierungsgesprächen gemerkt, dass ich mehr Ahnung habe, routinierter bin auf diesem Fachgebiet und das Ding demzufolge gut strukturieren kann. Das haben wir alle gemerkt. Natürlich koordiniere ich die Aufgaben, weil ich ja schon sehe, welche Aufgaben anfallen. Aber ich verteile nur kleine Sachen, die das große Ganze nicht sehr stören, wenn sie nicht ganz nach meinen Vorstellungen werden. Und bei denen ich weiß, dass ich sie zur Not auch später noch schnell nach meinen Vorstellungen anpassen kann. Und die Korrespondenz geb ich auch ab. Alles, was den Schaffensprozess unterbricht, kann ich auf meinem Schreibtisch nicht gebrauchen, wenn ich in den Flow gerate.

Noch in der Vorbereitungs- und Entwurfsphase werden aus meinen Skizzen fertige Umsetzungen. Noch während der Einarbeitungszeit der Anderen hab ich das Projektgerüst geschaffen, Strukturen gebildet, Entwürfe designt.

Feinschliff. Es ist super viel Arbeit und mein Zeitplan gerät ins Schlittern, weil die Umsetzung länger braucht als die Vorstellung. Ich bitte um Hilfe: Kannst Du das mal schnell fertig machen? Dich da mal schnell einarbeiten? Das mal schnell zu Ende bringen? Und merke doch, dass ich lieber 3 Nächte durchmachen will, als auf andere zu warten und muss mich echt zwingen, es nicht zu tun. Erwarte zum Teil, dass ich es am Ende doch eh selber mache, weil es bestimmt nicht so wird, wie ich es haben will. Dabei bin ich nicht mal wahnsinnig perfektionistisch. Aber wenn es wächst, dann kann ich leider höchstens technische Kompromisse machen.

Ich bin sehr gut in Teamwork. Ich schreibe die Namen aller Mitarbeiter unter unsere Arbeit. Es war ein gemeinsames Projekt. Lorbeeren für alle.

Rheuma

Lohnt es sich noch,
Klavierspielen zu üben und
Fingersätze zu perfektionieren,
wenn die Schmerzen in den Fingern
wohl nie mehr ganz verschwinden werden
und die Lockerheit wohl eher
ganz langsam versteift?
Lohnt es sich noch,
wenn ich vielleicht
gar nicht mehr besser werden kann?

—-

Vielleicht lohnt es sich,
solange es mir Freude macht
immer schneller zu begreifen,
immer schneller zu verstehen,
immer besser das Wesentliche zu sehen.
Ja, vielleicht lohnt es sich,
selbst wenn man diesen Fortschritt
vielleicht kaum hört.
(Und für die Finger ist Bewegung eh gut.)

Und vielleicht lohnt sich alles,
was uns vom perfektionistischen Unideal
zum Leben bringt.

unerfüllt

Das ist die Sehnsucht,
die nichts kostet,
weil sie selbstgemacht ist,
weil sie sich aus kreisenden Erinnerungen speist.
Das ist die Sehnsucht,
die niemals erfüllt werden darf,
weil sie dann stirbt.
Das ist die Sehnsucht,
die idealisiert, was man nicht haben kann,
die träumen lässt, was es nicht gibt,
die nur liebt, wenn sie unerfüllt bleibt.

Award-Fragen

1. Was hat dich dazu bewegt zu Bloggen?
Ich habe eigentlich seit ich schreiben kann Tagebuch geschrieben.
Mich irgendwann auch online zu verewigen, war wahrscheinlich nur eine logische Konsequenz; auf jeden Fall war es kein sehr großer Schritt.
Ich schreibe in verschiedenen Blogs mit verschiedenen Inhalten. In diesem Blog hier schreibe ich nur, um zu schreiben.

2. Wie würdest Du deinen Blog beschreiben?
NACHTWORTE ist ein Blog voller Worthappen, oft zu nächtlicher Stunde. Sowas wie ein kleiner, schneller Snack aus Buchstaben zwischendurch, manchmal gehaltvoll und manchmal weniger.

3. Was fällt Dir leicht beim Bloggen? Und welche Herausforderungen erlebst Du?
Meine Herausforderung ist der Weißraum. Den ganzen Tag über fallen mir 1000 Sachen ein, die ich kurz mal aufschreiben will/könnte/sollte, aber kaum sitze ich vor der leeren Seite, wollen die Buchstaben dann oft doch nicht raus. 😉

4. Gibt es ein Thema über das Du schon lange einmal schreiben wolltest, aber es noch nicht in die Tat umgesetzt hast?
Ja, aber es ist nur ein Gefühl und wohl noch nicht wortreif.

5. Du hast drei Wünsche frei! Was würdest Du Dir wünschen?
Weisheit. Mut.

6. Hast Du ein Traumreiseziel?
Nein. So wie ich schreibe, um zu schreiben, so reise ich auch um zu reisen. Ziel relativ egal.

7. Hast Du bestimmte Ziele die Du in diesem Jahr noch verwirklichen möchtest?
Keine konkreten. Ich möchte besser werden in dem, was ich tue.

8. Welche bekannte Person würdest Du gerne mal im Fahrstuhl treffen?
Keine. Ich fahre am liebsten allein Fahrstuhl oder mit mir bekannten Personen.

9. An welchen Ort kannst Du gut Kraft tanken?
Auf meinem Wohnzimmerteppich. Auf einer Schaukel. In Decken gekuschelt auf dem Sofa oder im Sessel.

10. Was würdest du gerne auf dieser Welt verändern, wenn Du etwas dazu beitragen könntest?
Ist mir zu theoretisch. Wenn ich wirklich, wirklich wollten, dann würd ich doch wohl auch was tun. Denke ich. Und ich will anscheinend nicht wirklich, wirklich. 😦

11. Kaffee oder Tee?
Espresso unter Milchschaum. Oder Minzblätter und Orangenstücke mit Heißwasser aufgegossen. Je nach Stimmung oder Wetter.

 

Danke, Denise von liebstesleben.wordpress.com, für die liebe Nominierung! Die Fragen habe ich gern beantwortet, weitergeben werd ich den Award aber diesmal nicht.

sanft

(…) Denn unser Leben wird heute wie nie zuvor geprägt von einer sanften Soziotechnologie, die gesellschaftliche Imperative im Individuum zu verankern sucht. Anders als in den stalinistischen Schauprozessen, als noch harter Zwang dafür vonnöten war, wird dieses Ergebnis nun mit Anreizen, Verlockungen und einschmeichelnden Gesprächen erreicht. Was aber bleibt:
Wir sollen am Ende aktiv bejahen, was das Kollektiv vorschreibt.
Wir sollen joggen und schwitzen, aber das ganze als Spiel betrachten, bei dem man lustvoll gegen sich selber gewinnt,
wir sollen von morgens bis abends arbeiten, aber natürlich freiwillig und mit überbordender Freude, weil der Job ja so herrlich kreativ ist,
wir sollen uns durchleuchten lassen, bis der Staat und die Unternehmen alles über uns wissen, wofür wir dankbar zu sein haben, weil sie uns dann umso besser beschützen können…(…)

Maximilian Probst
aus: ZEIT, 9. Mai 2015
zum Thema „Lernentwicklungsgespräche“

Entmenschlichung

Willst Du nun sagen, es gäbe Mörder, die als Mörder geboren sind,
Folterer, die als Folterer geboren sind,
Idealisten, die kreuzigen, quälen und hinrichten können,
einfach so, weil es ihrem Naturell entspricht?
Ist es so einfach?
Ist es nicht ein Prozess hin zu dem stetig wachsenden Gefühl,
man sei eine höhere Form des Menschseins,
ein Übermensch, mehr Mensch als andere?
Diese Erhöhung in Gedanken, verfestigt durch Gleichgesinnte und Bestätigung
ist es, die letztlich zur Entmenschlichung anderer führt.
Ideologisches Morden ist nicht persönlich gemeint.
Es ist eine Strategie, die aus unbekannten Mitmenschen
Nicht-Menschen macht.
Und Du sagst, du bist davor gefeit?
Ist der Mensch nicht eitel, strebt er nicht nach eigenem Vorteil,
Ehre und Macht, Übermenschlichkeit, Bessermenschlichkeit,
Göttlichkeit vielleicht?
Was ist ein Mensch?
Wie bestimmst Du seinen Wert?
Ist nicht alles gefärbt von Eitelkeit, Gruppendynamik und persönlichem Vorteil?
Weshalb
führt Überheblichkeit
nicht zu Fürsorge und Schutz der vermeintlich Schwächeren?
Ganz klar: Weil Überheblichkeit keinen Funken Wahrheit enthält.

Er schrieb nach Hause:
Wir erschießen täglich so viele. Sie sagten, ich würde es lernen,
ich müsse nur aufhören, in ihnen Menschen zu sehen. Keine Menschen,
nein, es sind Feinde.

Das war damals.

Und er schließt sich denen an, die „heilig“ und „Krieg“ rufen und Sinn gefunden zu haben scheinen. Und er schreibt überhaupt nicht mehr nach Hause, weil er seinen Krieg gefunden hat.

Das ist heute.

Die Strategie ist dieselbe geblieben. Schwer durchschaubar, wenn man davon ausgeht, dass Hass die Motivation sein muss.

Klarheit

Du glaubst an „ganz oder gar nicht“:
Feuer und Flamme oder nicht interessiert.
Entweder bist Du schmerzfrei oder krank.
Und Du liebst von Herzen oder spürst keine Gefühle.
Deine Freunde sind für immer oder es nie gewesen.
Für Dich ist alles grandios oder furchtbar.
Du findest Dich nicht zwischendrin.
Du bist da oder nicht, ganz oder gar nicht,
Einmal entschieden – endlos treu.
Deine Messlatte liegt höher als ich groß bin.
Die Energie, in Deinen Augen Mensch zu sein,
die bringe ich nicht auf.

mit Unterbrechung

Am liebsten ist es mir,
wenn man irgendwann
einfach da weitermacht,
wo man aufgehört hat.

Wenn man einfach Pause machen kann
von den Menschen,
wenn man sie gerade nicht um sich haben kann,
weil man so viel „Sich selbst“ um sich hat.
Selbst wenn es Monate, Jahre dauert!

Am liebsten wäre es mir,
wenn ich das gar nicht erklären müsste,
wenn es einfach allgemeingültig wäre
und allgemeinverständlich.

Katerstimmung

euphorische stimmung
das gefühl, man habe die welt unter sich
die vögel zwitschern schon
in unserem blut ist alkohol
und wir laufen über asphalt
und ich denke, ich möchte barfuss gehen
und ich friere ein bisschen
unter straßenlaternen
auf dem heimweg

tiefer schlaf
das gefühl, man könnte ewig nur schlafen
die sonne streift die bettdecke
in unserem blut ist alkohol
und die träume ziehen verquere bahnen
und ich denke, ich möchte erwachen
und ich schlafe doch einfach weiter
unter warmen decken
neben dir

neben der spur
das gefühl, man habe die kunst des lassens gelernt
und man bräuchte nichts mehr als wasser und ruhe
um den alkohol in unserem blut zu verwässern
und die stunden vergehen
und ich denke an vergangene nacht
und ich und ich gammel herum
und ich fühle mich wohl
trotz kopfweh und zu wenig schlaf
neben dir

Lebensoptimierungsgesellschaft

Ich will aber gar kein höheres Leistungslevel.
Ich will viel lieber, dass mein Leben nach dem Chaosprinzip vor sich hinplätschert.
Ich mag all die Zufälle und alles, was auf den ersten Blick und rechnerisch überhaupt nicht zusammenpasst.
Ich möchte mich vom Leben überraschen lassen dürfen und nicht effizientfixiert an meinem Lebenslauf und Lebensrhythmus arbeiten für ein paar Boni oder Prophylaxen oder angebliche Optimierungen.
Ich möchte keine 5 Jahre länger leben als mir zugedacht sind.
Hab ich denn eine Wahl?

Name

Ganz selbstverständlich sprichst du meinen Namen
und es klingt gar nicht fremd,
obwohl ich mich oft fremd fühle in meinen Namen,
der mir zu groß oder bedeutend erscheint
und den ich noch nie ganz ausgefüllt habe.
Ganz selbstverständlich fühle ich nun ein „Ich bin“
und nicht mehr nur ein „Ich heiße“.
Wenn du mich beim Namen nennst,
dann klebt plötzlich gefühlt
nicht mehr nur das Namenswort auf mir,
sondern dann bin ich.
Dann muss ihn nicht füllen, den Namen,
denn er füllt mich.

es grünt

Neben einer alten Kastanie steht eine jüngere Birke. Vollkommen harmonisch grünen sie nebeneinander in den Tag. Grüne Eichen und Linden und rosa Kirschblüten zieren die Straßenränder. So wundervoll arrangiert, dass ich den Landschaftsplaner und Pflanzensetzer gerne sofort loben möchte. Und über allem singen die Vögel, noch bevor die Farben sich aus der Nacht stehlen. Dann blaut sich der Himmel aus Lila und Grau. Und ich weiß genau, dass das Gegenteil von grün immer kahl gewesen ist und das Gegenteil von blau immer Dunkelheit.