Lebensoptimierungsgesellschaft

Ich will aber gar kein höheres Leistungslevel.
Ich will viel lieber, dass mein Leben nach dem Chaosprinzip vor sich hinplätschert.
Ich mag all die Zufälle und alles, was auf den ersten Blick und rechnerisch überhaupt nicht zusammenpasst.
Ich möchte mich vom Leben überraschen lassen dürfen und nicht effizientfixiert an meinem Lebenslauf und Lebensrhythmus arbeiten für ein paar Boni oder Prophylaxen oder angebliche Optimierungen.
Ich möchte keine 5 Jahre länger leben als mir zugedacht sind.
Hab ich denn eine Wahl?

Biorhythmus

Ohne Elektrizität
könnte ich meinen
auserkorenen Biorhythmus
nicht leben.
Vielleicht gibt es gar keine
verschiedenen Biorhythmen.
Vielleicht wäre es optimal
mit der Dunkelheit
zu Bett zu gehen
und mit
den Morgensonnenstrahlen
aufzustehen.
Nicht, dass das zu meinem
Leben passen würde,
aber vielleicht
wäre es
das Ideal.

am Ende

Wir waren rebellisch und fügten uns ungern in gesellschaftliche Strukturen. Wir hatten Ideale und brauchten unsere Freiheit. Und wir waren so nah dran zu glauben, dass wir unser Leben selbst in der Hand halten. Wir wollten nie bleiben, wenn es sich nicht optimal anfühlte. Kompromisse kamen kaum in Frage. Wir lebten ganz nach unserem Gefühl, blieben ein Weilchen und gingen beizeiten wieder. Nicht, weil sich etwas Besseres geboten hätte, sondern weil wir uns plötzlich nicht mehr wohlfühlten, nicht mehr am richtigen Platz, nicht mehr inspiriert. Ganz fern war uns die Vorstellung, sich beruflich auf irgendetwas lebenslänglich festzulegen – da kam uns unsere Zeit, in der Flexibilität ein Stichwort ist und unbefristete Arbeitsverträge eine Rarität, gerade recht. Das Wissen, immer gehen zu können, beruhigte uns. Und wir konnten uns nicht vorstellen, dass wir jemals diesbezüglich in Bedrängnis geraten würden. Gerade wir nicht. Wir, die wir Neinsagen gelernt hatten, wir, die wir uns keinem gradlinigen Lebenslauf verpflichtet fühlten.

Es kam schleichend, stumm wie ein Schatten. Es fing uns mit unseren Idealen. Es kleidete sich in schmeichelndes „Du kannst alles haben“. Wir lebten uns erfolgreich, waren an einem Punkt, der uns Traum gewesen war. Und erkannten die Fessel nur langsam. Merkten fast zufällig, wie die Freiheit sich duckend davonschlich. Fühlten uns plötzlich ohnmächtig und gefangen. Verantwortung schmeckte nicht mehr nach Anerkennung, sondern nach Freiheitsentzug. Aufgabenvielfalt roch nicht mehr nach dem Optimum, sondern nach Zerstückelung des Selbst. Völlige Überforderung mit einem Leben, in dem man gebraucht wird und in dem man sonderbarerweise zu kurz kommt, obwohl man dachte, dass man endlich an der Stelle sei, an der man sich völlig entfalten könnte.