Dauerregen

Die Welt scheint zu zerfließen
und dennoch fürchte ich nicht,
davongeschwemmt zu werden.

Ich kenne den Regen,
weiß um seinen Nutzen,
um seine Schönheit,
fühle aber Kälte
und Demotivation.

Ich schaue in den Regen.
In jedem Tropfen spiegelt sich
eine ganze Welt aus Individualität.

Ich suche Inspiration in all den Wassern,
die der Wind an mein Fenster geschlagen hat.

Wasserbilder aus Regentropfen.

wetterfühlig

Zum ersten Mal habe ich ganz freiwillig stundenlang in kaltem Regen gesessen und wurde nass bis auf die Haut, so richtig ganz durchnässt. Im Dunkelwerden wurde der Regen mehr und mehr zu einem Schleier aus glitzernden, kalten Tropfen. Vom Sprühregen zum Sturzregen. Und ich blieb unhastig sitzen.

Es dauerte tatsächlich ein paar Stunden, bis die Sehnsucht nach Trockenheit und Wärme eine wirkliche, unerträgliche Sehnsucht war und nicht nur ein leicht erreichbarer Wunsch. Die Kleidung klebte kalt auf der Haut. Ob ich einen Schnupfen kriege? Oder mich erkälte? Ein gesunder Mensch geht eigentlich nicht ein, wenn er im Regen sitzt. Immunsystem und so.

Noch eine Stunde bis zu Hause. Dort ist es warm und ich werde trocken werden und mich in warme Decken kuscheln nach einer heißen Dusche. Ohne diese Aussichten wäre es nicht so erträglich und schön gewesen.

Strukturen

Kinder, nehmt eure bunten Regenschirme und lasst uns durch die Pfützen springen!
Lasst uns durch den Regen laufen und den Regenbogen finden!
Gummistiefel? Wozu?
Lasst uns die nackten Füße in die schwarze, feuchte Erde graben und das Leben fühlen!

Der Regen klopft an die Fensterscheibe hinter meine Schreibtisch.
„Komm“, lockt er perlenden Klanges.
„Nein danke“, sage ich. „Ich kann mir keinen Schnupfen leisten…“

unvermutet

Und eines Tages blickte ich zum Himmel und sah am Horizont weiße Streifen. Seit Tagen hatte sich über uns ein strahlend blauer Himmel gezogen. Blau, soweit das Auge reichte. Die weißen Streifen, gebettet auf graublauem Grund, türmten sich innerhalb weniger Minuten zu bauschigen Wolkenformationen. Erste Tropfen eines Sommerregens trafen auf meine Haut, perlten ab und rieselten an mir hinab. Ich hatte ganz vergessen, wie gut sich Regen auf warmer Haut anfühlen kann.

Juni

Regen. Regen. Wolkenbruch.
Ich steige aus am Hauptbahnhof und gehe unter in der Menge Unbekannter.
Ich lasse mich treiben, folge fremden Schritten, die ein ähnliches Ziel zu haben scheinen.
Manchmal drängt sich ein entgegenkommender Nonkonformist mit Rollkoffer an uns vorbei. Hektik hängt in der Luft, Zeitmangel schwingt unter den Füßen.
Auf dem Bahnhofsvorplatz verläuft sich alles ein wenig. Bunte Schirme spannen sich dem Regen entgegen. Darunter bleibt Rastlosigkeit und zieht sich durch die grauen Pfützen. Es riecht nach Automatenkaffee und ein kleines bisschen nach Herbstlaub.

gute Gedanken

Ich brauche mehr Bewegung. Für die Kraft meines Körpers. Für meinen Kopf. Will laufen und den Boden unter meinen Sohlen spüren, will spüren, wie die Erde nachgibt und meinen Schuhabdruck in sich aufnimmt und mich leicht federnd weiterziehen lässt. Will mir unauffällig bewusst werden, wie automatisiert der Prozess des Laufens ist. Will während sich meine Beine bewegen, mein Herz schlägt, meine Lunge lebt und mein Körper mich trägt meine Gedanken fliegen lassen. Wohin  immer sie wollen. Und will sie schließlich neu gesammelt, inspiriert und sortiert wieder nach Hause tragen. Mit heißem Atem. Mit Glück.

Aber es regnet. Und es ist dunkel und kalt.
Ich kann mich nicht aufraffen.

nur einen Moment

He, bleib doch mal stehen. Nur einen Moment.
An kristallklaren Augenblicken soll man nicht vorüberhetzen.
Gut, es regnet. Und Regen trübt den Blick ganz schön.
Sterne sind auch nicht zu sehen.
Was solls? Dafür auch kein ekliges Gelumpe.
Eigentlich sieht man nicht viel.
Aber Du hast mich gerade so warm angestrahlt.
Das war wie Sonne.
Und jetzt fühl ich Regenbogen.
Geh nur weiter. Das reicht mir schon zu meinem Glück.

Augenblicke

Die Linse der Kamera beobachtet uns. Starr blickt sie auf uns und wir bemühen uns, sie zu vergessen. Jede Minute schnappt sie und fängt uns ein.

Gerade gucke ich blöd und Du hast Dich aus dem Bild bewegt.

Ich versuche, entspannt zu gucken und mich natürlich zu benehmen. Meine Augen suchen immer wieder die Linse. Mit einem Klick friert sie mich ein und bescheinigt mir Unnatürlichkeit. Ich nehme das ganze Bild ein und von Dir ist vielleicht ein Kopfhaar zu sehen.

Ich lehne mich zurück. Blättere in einem Buch. Lege mich hin, setze mich wieder, spiele mit meinem Haar und kaue an einem Stift. Ich gucke nicht mehr in die Linse, sondern zu Dir. Du suchst ein Taschentuch. Und ich verdrehe den Stift in meinem Haar. Die Kamera schnappt in dem Moment, in dem ich Dich träumend anlächel.

Ich ziehe Dich zu mir. Vergrabe meine Hände in Deinem Haar. Du findest mich gestellt. Dabei vergrabe ich meine Finger oft in Deinem Haar. Du sagst, ich wolle ein Paarbild. Ich blicke Dich empört an und schiebe Dich weg. Mein Telefon klingelt. Wo ist es denn? Beim nächsten Auslösen der Kamera bin ich nicht im Bild. Allein ein grauer Schatten an der Wand zeugt von meiner Anwesenheit. Und von Dir fängt sie wieder nur Haare ein. Unten rechts.

Du blätterst in einer Zeitschrift und tippst auf deinem Smartphone herum. Du hörst Musik und bewegst Dich unbewußt im Takt. Deine Hand fährt durch Dein Haar. Die Wolken hinter dem Fenster teilen sich und ein kleiner Sonnenstrahl streift Dich beim nächsten Schnappschuss.

Ich springe auf Dich, werfe Dich um. Du bist erst böse, dann fängst Du mich auf. Ziehst mich an Dich und beginnst, mich zu küssen. Ich will reden, aber meine Lippen können sich nicht lösen. Ich will erzählen, aber Du läßt mich nicht los. Ich ergebe mich, gebe mich hin, kraule Deinen Kopf, während Deine Hände über meinen Rücken wandern. Du faßt mir unter mein Shirt und endlich läßt Du mir meine Lippen wieder und ich schmiege meinen Kopf an Deine Schulter. Die Kamera fängt unsere Hände und Haare ein. Wir sind ein wenig überbelichtet.

Es wird wieder Dunkel hinter den Fenstern. Regenwolken ziehen auf. Ich öffne ein Fenster. Ein Sommerwind pustet mir entgegen. Ich breite meine Arme aus und lege meinen Kopf in den Nacken. An die weißen Wände kleben sich Wolkenschatten. Ich lasse mich rückwärts fallen. Auf dem Bild sieht es aus, als würden die Schatten mich tragen.

Mich zieht es hinaus. Ich tanze im Regen und Du lehnst im Türrahmen und Du lachst. Deine Augen blitzen wie die Tropfen auf meiner Haut. Wir riechen Sommergras und Urlaub. Meine Füße platschen durch Pfützen. Du schaust mir zu und sagst: „Bitte bleib immer so.“ Und ich sage: „Du auch.“
Die Kamera blitzt auf ein leeres Bett, leere Schatten. Wenn man genau hinsieht, kann man den Stift auf dem Bett entdecken, mit dem ich mir vorhin die Haare verdreht habe.