Rheuma

Lohnt es sich noch,
Klavierspielen zu üben und
Fingersätze zu perfektionieren,
wenn die Schmerzen in den Fingern
wohl nie mehr ganz verschwinden werden
und die Lockerheit wohl eher
ganz langsam versteift?
Lohnt es sich noch,
wenn ich vielleicht
gar nicht mehr besser werden kann?

—-

Vielleicht lohnt es sich,
solange es mir Freude macht
immer schneller zu begreifen,
immer schneller zu verstehen,
immer besser das Wesentliche zu sehen.
Ja, vielleicht lohnt es sich,
selbst wenn man diesen Fortschritt
vielleicht kaum hört.
(Und für die Finger ist Bewegung eh gut.)

Und vielleicht lohnt sich alles,
was uns vom perfektionistischen Unideal
zum Leben bringt.

Prelude in C

Ich habe gerade verstanden, weshalb J.S.Bach ein großer Komponist ist –
er macht einfach Spaß. Schon im Kopf. Er fordert Kopf und Hände
auf eigentümliche Weise heraus. Und dann zerfließen all die Noten
auf den Tasten des Klavieres… Und im Kopf entdreht sich
ganz langsam ein Knoten aus Konzentration.

guter Ton

Manche Beats, manche Schwingungen, manche Stimmen, die schmecken mir. Die fühle ich am Gaumen und auf der Zunge. Sie schmecken nicht süß, nicht sauer, nicht bitter, nicht salzig. Ich fühle sie, fühle die Konsistenz der Töne.
Einmal hörte ich ‚Drive’ von Apokalyptika und mir wurde übel, ich konnte die Kombinationen nicht schlucken, konnte nicht schlucken, alles musste raus.
Aber in vielen Songs, Stimmen, Tonlagen, Tönen, Beats und Tonkombinationen finde ich Geschmackliches, lasse es mir auf der Zunge zergehen. Früher legte ich manche Sequenzen in Endlosschleife, hörte und schmeckte sie immer wieder. Heute tue ich das nicht mehr, heute genieße ich ihre Vergänglichkeit. Genieße es, sie wiederzuerkennen, irgendwann später.
Und dann kommen Zeiten, da ist mir, als hätte ich eine Überdosis erhalten oder mich Überfressen. Dann mag ich nichts mehr hören, die Töne nicht mehr in meinem Mund fühlen, kann Musik um mich nicht mehr ertragen und warte darauf, bis mein Mund wieder leer ist und meine Zunge nicht mehr umhüllt von Musik.

Gerade eben habe ich dieses Geschmacksphänomen wieder bemerkt. Drei Töne, ein Bass – wie ein runder Bonbon in meinem Mund, der sich gleich danach wieder auflöste und mir trotzdem einen interessanten Geschmack hinterließ. Und ich fand es plötzlich bemerkenswert und erwähnenswert und fand plötzlich Worte. Irgendwie.

Zustand

Dieselbe Musik läuft in Endlosschleife. Immer wieder. Und ich merke es kaum.
Ich trinke Tee. Es wird Herbst. Obwohl ich noch mit nackten Füßen durch das Gras flaniere.
Bald gibt es wieder Kastanien, lese ich. Kastanien aß ich nur in Wien.
Es ist wie ein Warten. Und ich merke es kaum.
Ein beschäftigtes Warten.
Und ich trinke Tee.
Ob ich dieselbe Musik auch nächstes Jahr noch mag?