Was sind Pläne ohne Taten?

Das Tun fällt mir schwer.
Ich bin mehr Theoretiker.
Und Pläneschmieder.
Und eingebildeter Durchblicker.
Und Studierer.
Und Kluge-Worte-Finder.
Aber ein Macher,
nein, der bin ich nicht.

Vielleicht ist es Besonnenheit
statt blindem Aktionismus.
Vielleicht aber verschwende ich
auch alle meine Potenziale,
als hätte ich sie vergraben.
Und bin wie tot,
obwohl ich lebe.

eine Angst

Ich habe Angst vor Menschen.
Komisch, denn ich habe Freunde unter ihnen.
Und Geschwister.
Und Eltern.
Und Kinder.
Und ich bin souverän in Begegnungen.
Meistens tut es mir gut unter Menschen zu sein,
weil die meisten mir nichts Böses wollen,
im Gegenteil.
Ich kann sie oft schnell und gut einschätzen.
Ich wirke freundlich auf sie.
Und manche behaupten sogar,
man könne gut mit mir zusammenarbeiten.
Ich bin nicht introvertiert und auch nicht scheu,
bin sogar schlagfertig und doch empathisch.
Es gibt keinen wirklich rationalen Grund,
aus dem ich Angst vor Menschen hab.
Aber ich hab sie schon immer.
Ich habe immer Stress vor Begegnungen.
Ich glaube nicht,
dass sich das jemals ändern wird,
weil alle positiven Erfahrungen
darauf keine Wirkung haben.
Ich muss mich immer, immer, immer
wieder überwinden.
Und es gibt Tage,
da gelingt mir das nicht.

Fragen zum Jahresrückblick

(Fragen kopieren und selber beantworten erlaubt, ja erwünscht!)

Wie war das Jahr 2014 für Dich in einem Wort?
musikalisch

Was war das Beste?
Die Wiederentdeckung meiner Instrumente,
der Urlaub in Kopenhagen,
eine neue Stadt beleben,
die vielen lieben Besuche
und die musikalische Rotweinnacht zu meinem Geburtstag.

Was war das Ätzendste?
Die vielen Probleme mit der neuen Wohnung
und die fast verlorene Nähe in meiner Beziehung.

Womit hattest Du nicht gerechnet?
Dass die Probleme mit der Wohnung kein Ende nehmen und wir uns trotzdem so gut einleben.
Und dass die zweite Jahreshälfte finanziell so entspannt werden würde.

Gesellschaftsdefinition

Ich hätte sie erfüllen können,
all die Träume meiner Jugend,
in meiner Wiege lag die Basis in Talenten,
sämtliche Wege standen mir offen
und keiner meiner Träume hätte
mich übermäßig viel gekostet
und keine Erfüllung war gänzlich unmöglich.
Es gab keine Steine von außen,
keine kulturellen, keine strukturellen,
keine moralischen und keine intellektuellen.
Ich brachte nur die Energie nicht auf
mich festzulegen,
mir fehlte das Streben.
So wurde ich nichts ganz
und tausend Halbheiten.

wer nicht fragt…

Ich war nie der große Fragensteller,
weder in der Schule noch in Bewerbungsgesprächen
fielen mir viele Fragen ein.
Nicht, weil ich alles schon weiß,
eher, weil für mich
das Arrangieren in Gegebenheiten
einfach total spannend ist.
Und die Frage nach dem Warum
hat selten weitergeholfen.
Und die Frage nach dem Wozu
ergab sich meistens aus dem Leben.

Meine Straßen und Wege

Ich habe in mehr Straßen als Wegen gewohnt, jedoch schönerweise immer abwechselnd in Straßen und Wegen.

Meine ersten Jahre verbrachte ich in einer Straße, die nach einem kleinen Fluss benannt ist, der in Berlin in die Spree mündet.

Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich in einem Weg, der nach einem Maler heißt (Vor- und Nachname). Sowohl menschlich als auch künstlerisch galt er als einzelgängerisch, was seinem künstlerischen Erfolg nicht im Wege stand. Im Gegenteil. Seine Liebe zu Berlin spiegelte sich in vielen seiner Bilder so offensichtlich wider, dass er 1920 als „künstlerischer Verherrlicher der Reichshauptstadt“ geehrt wurde.

Anschließend wohnte ich in einer Straße, die nach einem Bauern benannt wurde (nur Nachname), der die Zeichen der Zeit erkannte und ein Gasthaus an einer idealen Stelle zu gründen wusste – direkt an einem neuen Bahnübergang, der bald zu einem Vorort von Berlin wurde. Das war zwischen 1867 und 1891.

Meine erste eigene Wohnung befand sich auf einem wohl ehemals unbebauten, sumpfigen Land auf einer leichten Erhöhung. Zumindest zeugt der Name des Weges (altdeutsch + slawisch) wohl davon.

Danach zog ich in eine Straße, die nach einem deutsch-jüdischen Unternehmer im Eisenbahnbau benannt wurde (nur Nachname). Ursprünglich stammte er aus Ostpreußen, wirkte aber von Berlin aus, wo er nach seiner Ausbildung lebte. Er war Bauunternehmer, (Aktien-)Emittent und Zeitungsherausgeber einer Tageszeitung. Er war ein sozial eingestellter Mann, der gute Löhne zahlte und dem soziale zusätzliche Leistungen wichtig waren.

Mein nächster Weg erinnert an einen musikgeschichtlich relevanten Komponisten, Organisten und Musikpädagogen aus Österreich, der für seine Improvisationen bewundert wurde (und noch immer wird). Er war das älteste Kind einer Großfamilie und sein Vorname befindet sich ebenso wie meiner in der ersten Hälfte des Alphabetes.

Zur Zeit wohne ich in einer Straße, die ursprünglich aus der Stadt heraus zu den Dörfern führte, die sich im 13. Jahrhundert vor den Stadtmauern aus Siedlungen bildeten (im Gegensatz zu den durch Rodung entstandenen Dörfern und Stadtteilen). Im 15./16. Jahrhundert wurden diese Dörfer eingemeindet.

geschrieben

Auf kleinen Zetteln, in leeren Büchern, auf Fahrkarten, Bierdeckeln und Servietten,
in Briefen an mich selbst,
an Rändern und auf Rückseiten von Schul- und Studiumsmitschriften
und Arbeitsblättern, auf Innenseiten von Verpackungen, Etiketten und Kassenzetteln,
in Gästebüchern offline und online  –
überall habe ich geschrieben, habe ich mich verewigt und ein wenig offenbart;
überall dort habe ich mich freigeschrieben,
Meinungen, die meine nicht waren, formuliert,
mich schließlich neu überdacht, mich positioniert und reflektiert;
überall dort bin ich erwachsen geworden.

von oben (betrachtet) und innen (gefühlt)

Vielleicht bin ich Künstlerin.
Mindestens im Herzen.
Vielleicht auch wirklich.
Verleugnet, selbstverleugnet.
Perfektionistisch beeinflusst und gelähmt.
Zu wenig Macherin.
Er sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass ich phlegmatisch sei.
Er sehe in mir immer die Macherin, die nicht still halten könne,
diejenige, für die ein Tag ohne Tun die Qual schlechthin wäre.
Die euphorische Wirbelwindausstrahlung habe ich auch auf andere.
Was seltsam ist, denn man sieht nie Ergebnisse des Wirbelns.
Zumindest keine großen, keine verheerenden.

Keine meiner Ideen, keines meiner Projekte ließe sich innerhalb von 24 Stunden zufriedenstellend realisieren.
Und keines meiner Projekte, keines meiner Ergebnisse bräuchte annähernd 24 Stunden, um präsentiert zu werden.
Es ist einfach nicht verhältnismäßig, dieses Leben.
Man muss es einfach insgesamt als Phase des Wachsens verstehen.

Sonst ist alles sinnlos.

Mein Lebensfaden

Ich stelle ihn mir vor. Er löste die Nabelschnur ab und zieht sich seither unsichtbar durch mein Leben. Er hält mich nicht, er ist kein Seil. Er führt mich nicht, denn er würde bei meiner rebellischen Ader zerreißen. Er begleitet mich nur, still und leise. Er bewahrt meine Vergangenheit in mikroskopischen Fäden, die zusammengewirkt meinen Lebensfaden bilden. An manchen Stellen ist er ganz dünn, der Faden, fast durchsichtig oder extrem dunkelschwarz. Die Zeiten, in denen ich nicht war oder sein wollte. In denen man mich nicht wahrnehmen konnte oder ich mir gewünscht habe zu sterben. Davon gibt es zwei Stellen. Viel öfter aber ist er dick und ziemlich bunt. Da verweben sich Wünsche und Träume, Gedanken und Vorstellungen, paradoxes Sein und Gesehen werden. Ein Chaosfaden. Teilweise fransig. Viele Meinungen waren nicht meine, viele habe ich mir nur angeeignet, weil ich keine eigenen hatte. Sie konnten nicht halten. Sie konnten mich nur ein Stückchen begleiten, dann lösten sie sich aus meinem Lebensfaden, doch ganz losgeworden bin ich sie nie. Es gibt konstante Phasen, in denen sich wenig entwickelte, wenig tat, einfache, dunkelblaue Zeiten, in denen mein Lebensfaden fast samtig ist. Manche glatte Stelle ist auch dabei, wenn ich mich einfach durchs Leben aalte. Und dann die rauhen Phasen, die sich überhaupt nicht gut anfühlen, weder damals noch heute. Das sind die Zeiten, in denen ich mich verwehrte, mich nicht entwickeln wollte und mich schon gar nicht entwickeln lassen wollte. Kein Interesse, aber die Weisheit mit Löffeln gefressen. Unnahbar auf eine unschöne Art. Selbstschutz vielleicht. Verbohrtheit vielleicht. Vermutlich auch wichtig.

Zur Zeit fühl ich ihn bunt, den Faden des Lebens. Nicht mit allen Farben der Welt, nicht übermäßig knallig und auch nicht pastellig, einfach bunt, vielleicht ein bißchen gedeckt. Es ist eine stille Umbruchs- und Entdeckungsphase, keine laute. Es ist kein großer innerer Umbruch, aber ein mosaikreicher. Es sind nicht viele Facetten in Bewegung, aber einige wandeln die Farbe und Haptik. Ob sich das gut anfühlt, kann ich nicht sagen. Auf das, was dabei herauskommt, bin ich gespannt.

Ach, aber wahrscheinlich ist auch mein Lebensfaden einfach klassisch und rot und nichtssagend und zieht sich durch mein Leben, so lange ich bin. Anschließend wird er ein Teil des toten roten Knäuels ungelebter Träume und nicht erreichter Ideale…

*12. Mai 2010*

sweet eighteen

Wir schlossen Türen.
Wir machten alle Lichter aus und zündeten Kerzen an.
Unabhängig voneinander.
Per Mail hatten wir uns verabredet.
Im Chat.
Es geschah instinktiv.
Wir spürten einfach, dass absolute Ruhe, absolute Unabgelenktheit der Situation angemessen wäre.
Es war aufregend wie ein erstes Date.
Es war Nacht. Und draußen wurde es Herbst.

Es war ein erstes Date. Auch wenn Kilometer uns trennten. Und wir nur hinter Röhrenmonitoren saßen.
Da war Zuneigung. Es war ein Kennenlernen. Und wir gestanden uns im Schein der Kerzen, nur bei Kerzenschein zu sitzen.
Wir waren fasziniert voneinander. Ohne Ziel und ohne, dass wir es beabsichtig hätten. Die Nacht wurde lang. Die Anziehung, die Sympathie, die Zuneigung, sie hielten uns online, obwohl wir pro Minute bezahlten, obwohl das Modem uns manchmal trennte.

Wir schrieben uns eMails. Ellenlange eMails. Wir teilten uns unser Innerstes mit, bevor wir unser Äußeres gesehen hatten. Und wir begannen, das Innere zu mögen, zu lieben, zu begehren. Wir hatten einander nie gesehen.

„Das gibts nicht“, sagten die Leute. „Ihr kennt euch ja gar nicht.“
Aber ich hatte das Gefühl, ihn zu kennen. Ihn näher und besser zu kennen als andere, denen ich tief in die Augen geblickt hatte.

Sehnsucht nach den tiefen Augenblicken hatten wir dennoch. Auch nach der Stimme, dem Tonfall, dem Wortlaut, dem Ausdruck. Und dem Geruch.

Als wir zum ersten Mal telefonierten, war es wieder Nacht und es wurde immernoch Herbst. Ich war aufgeregt. Ich befürchtete, seine Stimme würde nicht zu dem Menschen passen, den ich in ihm sah. Meine Befürchtungen waren umsonst. Seine Stimme war schön, seine Worte längst vertraut und manche Wörter sprach er so aus, dass ich mich in Klänge verliebte. Und er fand meine Stimme einzigartig und wunderbar. Ich saß vor dem Spiegel und schaute mir in die Augen, während ich mit ihm sprach. Wir wollten nicht mehr auflegen, so schön war die neugewonnenen Nähe.

„Kann es Liebe sein?“ fragte er. „Kann das, was ich fühle, Liebe sein?“ „Nein“, sagte ich. Denn ich war mir sicher, dass nur Worte und Stimme zur Liebe nicht reichten. „Aber was ist es dann?“ fragte er. Ja, was ist es, was? „Vielleicht ist es Liebe“, gestand ich ihm zu, „aber eine in Etwas, das nicht ganz existiert.“

Er wünschte sich ein Bild von mir. Ich hatte Angst vor so viel Realität. Doch je länger wir es aufschoben, desto absurder wurden all die Gefühle. Wir mußten diesen Vorhang auch noch beiseite schieben. Ganz langsam wurde es Winter. Und wir tauschten unsere Fotos per Mail. Wir schickten sie gleichzeitig ab. Verbrachten die Zeit der Übertragung miteinander im Chat. Was würde sich verändern? Was, wenn es optisch überhaupt nicht passte? Waren diese Minuten dann vielleicht unsere letzten? Wir genossen unsere Aufregung sogar ein bisschen, genossen die exakt gleiche Situation, in der wir uns befanden. Es war wie ein Beistehen unter guten Freunden. Und wieder wurden wir überhaupt nicht enttäuscht. Und wieder ergab sich eine neue, eine andere Nähe. Eine neue, eine andere Bekanntheit.

Worte und Stimme und Bild.
„Ich habe von dir geträumt“, sagte er eines Nachts am Telefon, „davon, wie du bei mir warst.“
Ich wollte alles über mich wissen.
Ich hatte Angst, nicht an seine realen Erwartungen heranzureichen. Aber in seinen Vorstellungen fand ich mich wieder. Tatsächlich träumte er von mir, nicht von einem Mädchen mit meiner Stimme, meinem Aussehen, meinen Worten.

Wir wollten uns treffen. Aber das war schwierig. Wir waren 18, Geld hatten wir nicht allzu oft übrig. So verging der Winter. Und der Frühling kam. Und dann beschloss ich, ihn zu besuchen. Ich befürchtete, dass danach nichts mehr wäre wie vorher. Aber da war Liebe, Zuneigung, Nähe und Achtung. Und Spannung. Ich hatte das Gefühl, ihn wahnsinnig gut zu kennen, hatte tiefer blicken dürfen und ihn tiefer blicken lassen als manch anderer Freund. Wie groß würde der Verlust, wie groß die Desillusion sein, wenn wir uns endlich Wirklichkeit werden ließen?

Während der Reise telefonierten wir viel. Wir hatten uns erst kurz zuvor Handys gekauft. Und wir waren sehr stolz darauf. Aber der eigentliche Grund war, dass wir einander wieder als gute Freunde brauchten, als Beistand vielleicht, weil die Aufregung so unerträglich war und wir nicht abschätzen konnten, was passieren würde. Wir waren uns so vertraut und hatten doch Angst vor der wahren Realität. Doch auch hier waren alle Ängste vergebens. Nichts änderte sich wirklich. Nur die Sehnsucht steigerte sich, der Wunsch nach viel mehr Nähe als uns möglich war. Alle Aspekte, die wir aus der virtuellen Welt in die Realität transportierten, erwiesen sich als kongruent.

Vielleicht ist es wirklich dieselbe Liebe – ob sie nun mit Worten und ohne Gesicht oder mit Gesicht ohne Worte beginnt.

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wie es weiterging

Farbe

Die Ideen strömten wieder kurzfristig, aber sie waren genial. Und ich im Stress und eigentlich überhaupt nicht aufgeschlossen. Aber ach, was solls. Ich holte Farben und Pinsel und Zeitungen und Pappdeckel und eine lange Papierrolle und breitete mich aus. Dickflüssig aufgetragen, geschwungen vermalt. Versunken.
Das war schon viel zu lange her. Ich wünschte mir als Boden keine Fliesen, kein Parkett, sondern Sperrholz und an den Wänden keine bodentiefen Fenster, keine Tapeten, sondern blindes Glas und Rigibs. Und Oberlicht. Ein Atelier, eine Werkstatt, in der es immer nach Farben riecht und in der es nicht darauf ankommt, ob der Boden Gelbsprenkeln erhält.
Aber man kann nicht alles haben.
In Farben und Pinselstrichen finde ich etwas von mir wieder.
Das Mischen der gewollten Farben beherrsche ich noch immer perfekt. Ich sehe sie lange bevor sie mir vom Pinsel tropfen schon vor mir in ihren Teilen.
In der Sonne trocknen meine meterlangen Papierbahnen.
Ich hatte überhaupt keine Zeit zum Malen.
Aber dann ging es mir so gut von der Hand, gab mir Energie zurück, die ich anderswo brauchte und ich verlor die Zeit, die ich nicht hatte, überhaupt nicht.

Der Sprung

Damals stand ich auf dem 3-Meter-Turm. Unter mir tanzte das Sonnenlicht auf dem blauen Wasser des Schwimmbades. Am Beckenrand standen Sportlehrer und Bademeister. Nur ein kleiner Sprung für das Silberabzeichen… Sie riefen mir Tipps zu: „Augen zu und durch.“ und „Nicht nachdenken, einfach springen.“

Von unten hatte das so einfach ausgesehen. Viele vor mir hatten den Sprung gewagt. Was sollte schon passieren? Und doch waren da diffuse Ängste… Und mir bedeutete das Silberabzeichen auch nicht allzu viel. Den Sprung jedoch hätte ich so gern gewagt! Weil ich mich unten noch mutig gefühl hatte. Weil ich schon tagelang von diesem Sprung geträumt und mir das Gefühl des Springens sehr schön vorgestellt hatte. Weil es einfach mein Traum war.

Die Zehen um die vordere Kante des Brettes gelegt, tief Luft geholt, nach unten geschaut. „Spring!“ riefen sie. Da dreht ich um und kletterte die Leiter wieder hinunter. Die Erwartungen waren viel größer geworden als der Traum! Ich hatte den Zeitpunkt verpasst.

………………………………

Jetzt geht es mir fast wie damals.
Ich will ja, ich will.
Aber ich glaube, ich muss erstmal wieder runter. Muss mich erst einmal wieder beruhigen. Muss den Traum wieder finden und mich frei machen von all den Erwartungen. Springen sollte man immer für sich. Nicht weil jemand ruft: „Spring!“
Aber dann, dann will ich wieder hoch. Und dann, dann werde ich springen! Weil es inzwischen doch mehr geworden ist als nur ein Traum.

Wie wir Freunde wurden

Selten kann man sagen, woran es lag, dass man einander näher kam, in einen Gleichklang geriet und füreinander an Bedeutung gewann. Ich hatte nichts im Sinn als wir uns das erste Mal begegneten und redeten. Ich sah Dir nicht hinter die Fassade, sah in Dir lediglich eine Leinwand für meine Selbstdarstellung. Ich wollte nicht viel von Dir. Nur einen Lebensmoment, nur Deinen Blick auf mich fokussiert für eine kleine Weile.
Irgendwann begannst Du von Musik zu reden, die Dich berührt.
Irgendwann sprachst Du von Deinen Exfreundinnen.
Irgendwann von Deiner Familie.
Irgendwann fragte ich Dich nach den Narben auf Deiner Hand.
Irgendwann empfahlst Du mir Literatur.
Irgendwann durfte ich von Dir lesen.
Irgendwann Deine Handschrift sehen.
Und dann schenkte ich Dir einen Textmarker in kanariengelb und Du wusstest das zu würdigen, weil Du um ihre Besonderheit weißt; die meisten sind neongelb und kalt.
Durch all Deine Worte und all unsere Worte, die oberflächlichen wie die intimen, wurden wir zu Menschen.
Ich mag Dich. In meinem Leben. Bleib doch ein wenig länger als eine kleine Weile.

guter Ton

Manche Beats, manche Schwingungen, manche Stimmen, die schmecken mir. Die fühle ich am Gaumen und auf der Zunge. Sie schmecken nicht süß, nicht sauer, nicht bitter, nicht salzig. Ich fühle sie, fühle die Konsistenz der Töne.
Einmal hörte ich ‚Drive’ von Apokalyptika und mir wurde übel, ich konnte die Kombinationen nicht schlucken, konnte nicht schlucken, alles musste raus.
Aber in vielen Songs, Stimmen, Tonlagen, Tönen, Beats und Tonkombinationen finde ich Geschmackliches, lasse es mir auf der Zunge zergehen. Früher legte ich manche Sequenzen in Endlosschleife, hörte und schmeckte sie immer wieder. Heute tue ich das nicht mehr, heute genieße ich ihre Vergänglichkeit. Genieße es, sie wiederzuerkennen, irgendwann später.
Und dann kommen Zeiten, da ist mir, als hätte ich eine Überdosis erhalten oder mich Überfressen. Dann mag ich nichts mehr hören, die Töne nicht mehr in meinem Mund fühlen, kann Musik um mich nicht mehr ertragen und warte darauf, bis mein Mund wieder leer ist und meine Zunge nicht mehr umhüllt von Musik.

Gerade eben habe ich dieses Geschmacksphänomen wieder bemerkt. Drei Töne, ein Bass – wie ein runder Bonbon in meinem Mund, der sich gleich danach wieder auflöste und mir trotzdem einen interessanten Geschmack hinterließ. Und ich fand es plötzlich bemerkenswert und erwähnenswert und fand plötzlich Worte. Irgendwie.

Lena

Sie war Austauschstudentin. Wir wohnten zusammen. Wir studierten beide Germanistik im ersten Semester. Sie war nur wenig größer und älter als ich. Wir verstanden uns vom ersten Augenblick an gut, aber wir erkannten erst viel später, wie ähnlich wir uns wirklich waren.

Abends saßen wir entweder in ihrem Zimmer oder in meinem, redeten, lernten, oft gingen wir spazieren unter Sternen. Wir hatten beide einen heimlichen Freund, den unsere Eltern nicht kannten und von dem sie auch nicht begeistert gewesen wären. Die Namen unserer Freunde begannen mit demselben Anfangsbuchstaben und sie wohnten in derselben Gegend. Trotzdem fuhren wir nie gemeinsam dorthin. Ihrer war etwa 10 Jahre älter, meiner ein halbes Jahr jünger als wir. Ihrer fuhr Porsche und meiner VW. Ihrer machte ihr teure Geschenke. Meiner schenkte mir Worte.
Nach einem Wochenende, das wir beide bei unseren anfangsbuchstabengleichen Freunden verbracht hatten, lag bei uns beiden Trennung in der Luft. Fast war es schön, fast romantisch, dies parallel zu erleben. Frustshopping. Gemeinsam weinen.

Dann erhielt sie Briefe. Viele Briefe. Ich fragte sie nicht. Erst als ihre Schreibtischschublade so voll war mit diesen Briefen, dass sie sie nicht mehr zubekam. Sie hatte jeden Brief sorgfältig geöffnet, einmal gelesen und in die Schublade gelegt. Sie schrieb nie zurück. „Liebesbriefe“, sagte sie. Zeigte mir einen. Herzallerliebst. Von einem Mann, der nach dem Herzen ihrer Eltern wäre, aber nicht nach ihrem. Der sich in ihren Anblick verliebt hatte, der sie bei sich haben wollte, ohne sie wirklich zu kennen.
Seine Beharrlichkeit beeindruckte mich.

Unsere Abendspaziergänge und gemeinsame Zeiten reduzierten sich drastisch.

Sie traf sich mehrmals mit ihm.
Er küsste sie.
Er machte ihr einen Heiratsantrag.
Sie lehnte ab.

Zur selben Zeit machte mir der Assistent meines Vaters ebenfalls einen Heiratsantrag. Wir hatten viel Zeit miteinander verbracht. Ich mochte sein Interesse an mir. Ich mochte ihn gegen meine Einsamkeit und gegen die Unbeständigkeit meiner Beziehung und meiner Freundschaft zu Lena. Er fand, wir würden zusammenpassen. Sein Heiratsantrag war dennoch absurd!
Ich lehnte ab.

Wir waren noch keine 20 und unsere Leben so unfassbar parallel in kleinen, absurden Details.
Nur eines unserer beider Leben wäre unglaubwürdig genug gewesen!
Ich konnte so gut mit ihr reden.
Jedoch ließen wir es immer mehr.
Zu unheimlich waren die Verschlungenheiten unserer Leben.

Schließlich musste sie zurück in das Land ihrer Staatsbürgerschaft.
Am Abend vorher saßen wir in ihrem Zimmer. Sie packte. Ich war traurig.
„Wir schreiben uns“, sagte sie. „Und wenn wir einmal heiraten, laden wir uns zur Hochzeit ein.“ Ein Grinsen. Und das Gefühl, schon genug Heiratsanträge und Herzschmerz erlebt zu haben.
Ich konnte sie nicht zum Zug bringen.
Wir schrieben uns vielleicht noch ein halbes Jahr lang Mails.
Dann gab es ihre Emailadresse nicht mehr.
Manchmal vermisse ich sie. Ich wüsste gerne, wie es ihr geht und wie ihr Leben weiterging. Aber vielleicht lebe ich es ja…

Lieblings

Lieblingsbuchstabe: C
Lieblingszahl: 2
Lieblingsfarbe: maigrün und weinrot
Lieblingsgeruch: Sommerregen auf Asphalt
Lieblingsfrisur: windzerzaustes Blondhaar
Lieblingsziel: Bett
Lieblingsbeschäftigung: irgendetwas mit Worten
Lieblingstraum: in bunt
Lieblingslied: harmonische Tonfolgen je nach Stimmung
Lieblingstier: Felliges, Pfotiges
Lieblingsjahreszeit: Sommer
Lieblingsthemperatur: 28 Grad
Lieblingsalter: forever 26
Lieblingsbesonderheit: bunte Orgsamen