undefiniert

Wie lange habe ich nichts von ihm gehört?
Monate? Oder bloß Wochen?
Ich könnte nichts davon beschwören,
nicht annähernd.
Die Zeit verfließt so,
das Zeitgefühl zieht mit.
Aber plötzlich vermisse ich.
Und ich frage mich,
ob ich ihm mal schreiben soll.
Entscheide mich nicht dafür und nicht dagegen.
Die Nacht schreibt eine SMS,
die ich am Morgen schon vergessen habe.
22 Stunden denke ich nicht an ihn.
Dann schreibt er
und ich freue mich so übertrieben sehr!
Es ist, als hätte ich 22 Stunden gewartet.

Menschen

Dass Menschen Hierarchien bilden
und Anarchien,
dass Menschen über Menschen entscheiden,
über Leben, über Tod, über Tun und Lassen,
dass sie Menschen Freiheit nehmen,
allgemeine Gesetze personenabhängig auslegen,
dass sie Gleichheit sagen und nach Ungleichheit streben,
dass sie Respekt fordern und sich respektlos benehmen
– ist doch eigentlich absurd.

Fehlersuche

– Ich habe jetzt lange überlegt. Ich will mich von dir trennen. Es ist einfach nur so ein Gefühl. Es gibt keinen greifbaren Grund, es passt einfach nicht mehr. Ich fühle mich eingeengt durch die  Beziehung, ich will mehr vom Leben, will mich wieder spüren. Nein, du hast nichts falsch gemacht. Ich glaube, ich bin unserer Beziehung einfach entwachsen. Und, nein, ich will es auch nicht noch einmal probieren, will mich nicht noch einmal zusammenraufen, noch einmal gucken, was wir optimieren können. Ich will mich einfach nur von dir trennen. Okay?

– Nö.

verschätzt

Du willst mich bekehren,
willst, dass ich dir glaube,
Deine Ansichten teile,
obwohl Deine Argumente
recht schwach sind.
Du willst mich verändern,
willst, dass ich erkenne,
wie falsch ich liege.
Was wüsste ich gerne,
wie Du darauf kommst,
dass all das
was ich liebe
ich für Dich
über Bord werfen würde!

Bestätigung

Ja, du wusstest vorher schon, dass du damit nicht zurechtkommen würdest und hast dich dennoch darauf eingelassen. Nun ärgerst du dich und machst diese Episode zu einem Paradebeispiel. Du drehst die Geschichte so, wie du sie brauchst, untermauerst deine Vorurteile, indem du sie zu einer weiteren Erfahrung deklarierst.
Er hat dir keine Hoffnungen gemacht. Für ihn warst du eine schöne Frau in einer prickelnden Urlaubsnacht. Und in erster Linie war er auch für dich nur ein schöner Mann, der eine Nacht mit dir verbringen wollte, was dir schmeichelte und dir gefiel.
Und nun verachtest du ihn dafür, dass du nur eine von vielen warst?
Und du resümierst wieder einmal, dass alle Männer gleich seien. Wieder siehst du dich als Opfer, doch das bist du ja gewohnt und auf gewisse Weise beruhigt es dich, dass dein Weltbild so untrüglich ist.

danach

Dann warten wir wieder. Fragen uns, wann wir uns melden dürfen und wer sich wohl zuerst melden wird und ob es eine Schwäche oder Blöße wäre, darin Erster zu sein. Im Kopf sind so viele Worte und im Gefühl noch mehr und doch schweigen wir beide und warten. Und warten. Spielen die Spiele wieder, die wir schon vor Jahren verachtet haben. Längst sollten wir es besser wissen, aber das tun wir nicht. Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen. Haben Angst vor dem Schmerz nach Ablehnung und Angst davor, alles überbewertet zu haben. Wir haben Angst, alles falsch einzuschätzen, inklusive uns selbst. Und da sitzen wir beide und schauen auf Handys und fürchten und ersehnen eine Nachricht. Und tippen Zeilen, die wir nicht abschicken und hoffen, dass es trotz unserer Unfähigkeit ein Happy End für uns gibt.

die sinnvolle finanzielle Lücke im sozialen Bereich

Viele Manager und beruflich Selbständige können ohne ihr soziales und finanzielles Engagement in Wellfare-Organisationen die Kälte des Berufslebens nicht mehr ertragen. Das soziale Elend ist geradezu notwendig, um dort durch Wohltätigkeit Schuldgefühle abzubauen und der Freizeitdepression und Drogen- und Therapieabhängigkeit Besserverdienender vorzubeugen.

Georg Schramm, Rede zum Erich Fromm Preis 2012

zerfressen

Und dann denkst du wieder, alle anderen hätten es besser als du, hätten mehr von all dem, was du dir wünschst oder eine bessere Ausgangsposition, und sie seien so viel beliebter, und all das spornt dich dann wider erwarten zu Höchstleistungen an und weckt deinen Ehrgeiz. Und Du bist freundlich und charmant, strebst nach Beliebtheit, nach Anerkennung und Aufsehen.
Und dann bist du irgendwann da und schaust zurück, wieder Neid im Herzen, und findest doch objektiv nichts, was du nicht hast.

Unsichtbares

Seine Fesseln waren nie sanft. Es war nie ein Spiel. Manipulation. Manchmal durch Emotionen, meistens aber durch Abhängigkeit. Er war groß und ich war klein. Er wollte mich nicht wachsen lassen. Er hätte mich gerne immer klein gehabt. Er beherrschte es, mir ein schlechtes Gewissen zu machen und Angst vor Folgen hielten mich bei der Stange. Manchmal habe ich geglaubt, er wolle nur mein Bestes. Und dann konnte ich ihm den Freiheitsentzug nicht übel nehmen. Nur leiden.

Große Liebe war immer Thema. Und er nahm ihr übel, dass sie vor der Beziehung mit einem anderen geschlafen hatte. Und sie bereute es. Er schließlich hatte sich für sie aufgespart. Er eroberte sie mit Charme, fand Gemeinsamkeiten, nannte sie „Liebe“. Er zentrierte sich in ihrem Leben, nahm Platz und breitete sich aus und verlangte Einzigartigkeit. Freundschaften lösten sich auf, er wollte sie für sich. Er wollte sein Bestes. Und sie fühlte sich in all den Vorwürfen, all den Erwartungen, all den Bedingungen abgeschnitten von aller Welt. Alle Träume begraben, alle Sehnsüchte aufgelöst. „Ich lebe das jetzt zu Ende“, meint sie nun. Weil es keine Alternative gibt in ihrem Kopf. Weil jegliche Alternative keine Attraktivität hat. Weil jede Alternative Schritte verlangt, die sie verlernt hat.
Wie kann er sich so in ein Leben graben, sich so ausbreiten, es so dominieren, obwohl es ihm nie gehörte, es so fordern, obwohl er kein Recht dazu hatte, es so rauben, ohne die Verantwortung tragen zu können?

Als sein Sohn sich verliebte – und zwar in die Frau, für die er einst (oder noch?) Gefühle gehegt hatte – und sie sich in ihn, Jahre später, zufällig, unabhängig, schrieb er ihr, sie solle sich nicht in seine Familie drängen, denn die wolle er nicht verlieren. Welche Familie? Wir fühlen uns doch längst verlassen. Erst fungierten wir als Image, als glanzvolle Fassade, dann als lästiger Anhang und ein bisschen als Profilierungsplattform. Er dreht sich weiter um sich selbst und interessiert sich nur für sich. Er fordert Selbstaufgabe und bietet nichts. Was auch immer er Liebe nennt, es entspricht nicht meiner Definition. So viel Fremdheit in ihm, Überheblichkeit und Blindheit. So starke Krallen an so schönen Händen. Ich kann diesen mächtigen Teil an ihm nicht lieben. Und ich würde mir wirklich wünschen, dass er es halt einfach nie besser wusste…