westliche Zukunftsängste

Ich glaube, sie gehört irgendwie zum Leben,
diese Angst vor der Zukunft. Immer.
Zu allen Zeiten.
Weil sie ungewiss ist und weil sie mit Menschen zu tun hat.
Nur heute, heute ist sie ungreifbarer geworden,
diese Angst vor der Zukunft.
Sie ist da, aber nicht konkret.
Es ist nicht die Angst vor Krieg oder Völkern
oder um Glauben und Leben,
sondern mehr um Privatsphäre.
Obwohl man sich ja gar nicht vorstellen kann,
was mit all den gesammelten Daten passieren soll
und was die Konsequenz sein kann oder wird.
Trotzdem ist da eine diffuse Angst. Überall.

unendlich winzig

Ich habe mich so auf diesen Auftrag gefreut,
euphorisch und verliebt
und als es hieß,
ich könnte ihn vielleicht doch nicht bekommen,
weil irgendjemand ein besseres Angebot gemacht haben könnte,
flatterte es mir ein bisschen im Bauch.

Jetzt hab ich den Auftrag,
den großen,
den besten!
Und habe Angst,
mir zu viel zugetraut zu haben
(obwohl ich das ganz sicher kann).
Habe Angst,
plötzlich blackoutkreativlos zu sein.
Will ihn am liebsten nicht mehr.

Ich habe so etwas Großes noch nie
so ganz allein,
ganz in eigener Verantwortung gemacht.
Das ist jetzt meins
und das muss jetzt werden.
Und das fühlt sich an wie zu viel.

Existenzielles

Meine Sorgen waren so groß, dass ich sie alleine nicht mehr tragen konnte und so schwer, dass ich allein nichts gegen sie unternehmen konnte. Und ich sagte: „Gott, ich weiß keinen Rat und keinen Weg mehr. Mir fällt niemand ein, der meinen Sorgen gewachsen wäre – nur noch Dir traue ich eine Lösung zu. Es wäre so schön, wenn ich nicht ins Leere reden würde und wenn ich spüren könnte,  dass Du da bist und ich nicht so allein bin mit mir und dem Sorgenberg.“
Und hatte doch gleichzeitig ein wenig Angst vor solchen Gotteserwartungen.
Ich rollte mich zusammen und plötzlich war da eine wohltuende Wärme, die mich angenehm umhüllte. Und ich fühlte mich aufgehoben, wie hochgehoben, von einer Stärke, die keinen Körper hatte und angeschmiegt an eine Weichheit, die reine Nähe war.
Oh, wow!

letztes Hindernis

Es ist die Angst vor dem Loslassen und dem Scheitern eines Traumes,
der als Traum so wunderbar unfehlbar war.
Es ist die Angst vor dem einsamen Scheitern
und die Verbindung dessen mit der Persönlichkeit.
Es ist die Angst vor Fehlinvestition, eigenem Mut und
dem möglichen Ausbaden.
Es ist die Angst vor Überforderung und Verlust der Freude,
wenn sich Leidenschaft und Wirtschaft vermischen.

Es ist das letzte Hindernis,
das überwunden werden muss.
Es ist nicht das höchste.

es klebt

Die Augen nur einen Spalt breit geöffnet. Dann halb. Die Lider sind so schwer. Wo bin ich? Ist das ein Keller? Warum bin ich ein einem Keller? Die Wände sind weißgetüncht. Ich schließe die Augen wieder. Blut, Blut, Blut. Ist da jemand? Ich habe eine Ahnung, auch wenn ich gerade niemanden sah. Blut, Blut, Blut. Ob ich den Raum mit meinem Blut bedecken könnte? 3 x 3 Meter sind das vielleicht. Mehr oder weniger. Ungefähr. Denke ich. Ich liege in meinem Blut. Und das Herz schlägt und pocht und treibt das Blut aus mir. Es hört nicht auf. In den Filmen liegen ermordete Menschen immer in einer Lache Blut. Das Herz hört auf zu schlagen, ehe der Körper leer ist. Denke ich. Aber mein Herz schlägt und pumpt. Ich bin auch nicht ermordet worden. Vielleicht ist das normal, dieses Bluten, diese Menge. Vielleicht war ich in allen anderen Monaten verwöhnt. Ich liege auf dem Boden. In der Ecke stand wohl ein flaches Bett, vielleicht nur eine Matratze, bespannt mit weißen Laken. Warum nicht auf dem Bett? Aber vielleicht ist das besser so. Die schönen Laken… Blut. Überall klebt Blut. Mein Blut. Vom Boden kann man es besser wischen. Meine Hände und Füße sind klamm. Sie kribbeln ein wenig. Ich fühle mich schwach. Zu schwach, um die Augen zu öffnen. Zu schwach, um zum Bett zu kommen. Ist da jemand? Und warum bin ich im Keller? Ist das ein Keller? Ich verblute! Ich sterbe! Ich will nicht sterben! Nicht allein! Tränen auf den Wangen. Komisch. Alles ist flüssig.

im Ideenrausch

Ach, du quälst mich mit Deinem „später“.
Wie schwer es ist, eine in diesem Moment revolutionäre, grandiose vielleicht lebensverändernde Idee für sich zu behalten!
Ich weiß, dass sie keinen Cent und keine Minute wert ist, wenn sie nur jetzt diesen Charme versprüht, mich nur jetzt diesen Endorphinrausch versetzt, nur jetzt für einen erhitzten Kopf und kalte Hände sorgt. Aber ich weiß auch, dass mit dem Abebben des Charmes, des Rausches und der flatternden Aufregung – und dieses Abebben wird unweigerlich eintreten nach einer Weile – all diese Ängste wiederkehren: die realistische Panik aus der Möglichkeit des Versagens. Ich weiß, dass das alles ganz normal ist. Angst und Euphorie und Risiko und Glück, das sind die Ingredienzien großer Projekte. Das Leben muss (mir) Sicherheitsnetz genug sein. Und Angst darf nicht lähmen, sondern muss Triebkraft werden.
Ach, wär doch schon später!
Ich muss reden.

Hinblick

Sie lässt nach,
die Sehnsucht,
das Bedürfnis,
dich ständig zu berühren,
dich immerzu um mich haben zu wollen,
lässt nach.

Entfremden wir uns?
Entfernst du dich von mir?
Ich klammere mich fest.
Hektisch und ängstlich.
Rede, ohne etwas zu sagen,
halte, ohne die Nähe zu genießen,
wünsche, ohne einen Wunsch.

Ich klammere,
klammere mich fest.
Und merke gar nicht,
dass die Sehnsucht nur ging,
weil wir sie nicht mehr brauchten,
weil unsere Nähe so nah geworden war.
Merke gar nicht,
dass das Bedürfnis, dich ständig zu berühren,
gar nicht gewichen ist, ich dich einfach nur
schon ständig berühre.
Und dass der Wunsch,
dich ständig um mich zu haben,
schon Realität geworden ist.

danach

Dann warten wir wieder. Fragen uns, wann wir uns melden dürfen und wer sich wohl zuerst melden wird und ob es eine Schwäche oder Blöße wäre, darin Erster zu sein. Im Kopf sind so viele Worte und im Gefühl noch mehr und doch schweigen wir beide und warten. Und warten. Spielen die Spiele wieder, die wir schon vor Jahren verachtet haben. Längst sollten wir es besser wissen, aber das tun wir nicht. Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen. Haben Angst vor dem Schmerz nach Ablehnung und Angst davor, alles überbewertet zu haben. Wir haben Angst, alles falsch einzuschätzen, inklusive uns selbst. Und da sitzen wir beide und schauen auf Handys und fürchten und ersehnen eine Nachricht. Und tippen Zeilen, die wir nicht abschicken und hoffen, dass es trotz unserer Unfähigkeit ein Happy End für uns gibt.

Der Sprung

Damals stand ich auf dem 3-Meter-Turm. Unter mir tanzte das Sonnenlicht auf dem blauen Wasser des Schwimmbades. Am Beckenrand standen Sportlehrer und Bademeister. Nur ein kleiner Sprung für das Silberabzeichen… Sie riefen mir Tipps zu: „Augen zu und durch.“ und „Nicht nachdenken, einfach springen.“

Von unten hatte das so einfach ausgesehen. Viele vor mir hatten den Sprung gewagt. Was sollte schon passieren? Und doch waren da diffuse Ängste… Und mir bedeutete das Silberabzeichen auch nicht allzu viel. Den Sprung jedoch hätte ich so gern gewagt! Weil ich mich unten noch mutig gefühl hatte. Weil ich schon tagelang von diesem Sprung geträumt und mir das Gefühl des Springens sehr schön vorgestellt hatte. Weil es einfach mein Traum war.

Die Zehen um die vordere Kante des Brettes gelegt, tief Luft geholt, nach unten geschaut. „Spring!“ riefen sie. Da dreht ich um und kletterte die Leiter wieder hinunter. Die Erwartungen waren viel größer geworden als der Traum! Ich hatte den Zeitpunkt verpasst.

………………………………

Jetzt geht es mir fast wie damals.
Ich will ja, ich will.
Aber ich glaube, ich muss erstmal wieder runter. Muss mich erst einmal wieder beruhigen. Muss den Traum wieder finden und mich frei machen von all den Erwartungen. Springen sollte man immer für sich. Nicht weil jemand ruft: „Spring!“
Aber dann, dann will ich wieder hoch. Und dann, dann werde ich springen! Weil es inzwischen doch mehr geworden ist als nur ein Traum.

Distanzieren

Sie lachte, als sie die Welt von oben sah.
So klein waren sie alle, die Menschen, die ihr Angst gemacht hatten.
So klein waren sie und so weit weg.
Sie verschmolzen unter ihrem Blick zu einer Masse aus farbigen Flecken, schließlich zu einem grauen Punkt, letztlich zu einem Nichts.

Irgendwann nahmen sie wieder Gestalt an. Und Farbe.
Nie jedoch erhielten sie ihre übermächtige Größe zurück.
Irgendwie blieben sie immer ein Nichts.

wesentlich

Schau, es wird Herbst und die Blätter werden bunt. Wir wissen, dass alles sich verändert, wir sehen es ständig um uns und an die Jahreszeiten haben wir uns sogar längst gewöhnt. Trotzdem macht manche Veränderung Angst. Manche Veränderung will ich nicht. Schlimmer aber ist, dass ich sie mir nicht einmal vorstellen kann! Ich kann sie nur in Gedanken durchspielen und mir wünschen, dass ich souverän klarkäme, dass es mich als ICH einfach noch gäbe, wenn… alles um mich sich veränderte.

im Dunkel

Gefühlte Einsamkeit.
Verlassen in tiefschwarzer Nacht.
Fehlt das Licht, sind die Augen blind.
Ein Tasten nach Bekanntem.
Alles fühlt sich fremd an.
Und dann
eine Berührung.
Hoffnung? Angst?
Wer bist Du?
Und doch Erleichterung, dass da jemand ist.
Viel mehr Erleichterung als Beklemmung.
Ist Einsamkeit also schwerer zu ertragen als die Furcht vor Unbekanntem?